Der Schweizer Informatiker Roger Wattenhofer beschäftigte sich schon mit Bitcoins, als nur eingefleischte Nerds etwas mit der Kryptowährung anzufangen wussten. Vor mehr als zehn Jahren kam ein Student zu ihm an die ETH Zürich: Er wollte seine Doktorarbeit an der renommierten Technischen Hochschule über Bitcoin schreiben. Es sollte die weltweit erste zu diesem Thema werden – und sie sollte ihrem Verfasser noch schweres Kopfzerbrechen bereiten. Denn der Doktorand hatte schon vor Beginn der Arbeit 10.000 Bitcoins geschürft, schließlich musste er wissen, worüber er schrieb. Nur eines hatte er vergessen: seine Passwörter ordentlich zu verwahren. Sein Computer wurde gehackt, die Zugangscodes geknackt, die Bitcoins waren weg. „Damals waren sie um die 1000 Euro wert, mein Doktorand nahm es nicht allzu schwer“, sagt Wattenhofer in der aktuellen Folge von „Tauwetter“, dem profil-Klimapodcast. Mittlerweile dürfte der ehemalige Doktorand das etwas anders sehen. Die 10.000 Bitcoins wären aktuell etwa 250 Millionen Euro wert.

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Roger Wattenhofer, ETH Zürich

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„Ich dachte, dass es gesellschaftlich nicht mehr so akzeptiert sein würde, mit Bitcoin zu arbeiten. Weil es hinsichtlich Energieeffizienz viel bessere Kryptowährungen gibt.“

Roger Wattenhofer, ETH Zürich

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„Ich dachte, dass es gesellschaftlich nicht mehr so akzeptiert sein würde, mit Bitcoin zu arbeiten. Weil es hinsichtlich Energieeffizienz viel bessere Kryptowährungen gibt.“

Doppelter Strombedarf von Österreich

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Bitcoin ist nicht nur die wertvollste Kryptowährung, sondern auch die mit Abstand umweltschädlichste. Die Blockchain verschlingt Unmengen an Strom, weil sie Computern enorme Rechenleistung abverlangt. Bitcoin-Schürfer besitzen Lagerhallen voll mit Hochleistungscomputern, die oft in Ländern stehen, in denen fossil produzierte Energie wenig kostet. Laut Berechnungen des niederländischen Wissenschafters Alex de Vries geht allein auf das Konto von Bitcoin ein jährlicher Stromverbrauch von 125 Terawattstunden. Das ist doppelt so viel, wie ganz Österreich pro Jahr an Strom benötigt.

Doch es tut sich was in der Kryptowelt: Ethereum, die zweitgrößte Blockchain nach Bitcoin, stellte das stromfressende Mining-System im Herbst 2022 ein und ersetzte es durch eine umweltfreundlichere Alternative. Damit spart das Schürfen der Währung Ether 99,9 Prozent der Energie. Expertinnen prophezeiten damals den Untergang der CO2-intensiven Währungen. Was ist seither passiert? Haben sich die grünen Alternativen durchgesetzt? Wie reagierte Bitcoin auf den Umstieg seines größten Konkurrenten? Und wie können Anlegerinnen und Anleger sicherstellen, dass eine Kryptowährung stromsparend produziert wird?

Wie Ethereum 99,9 Prozent des Stroms einspart

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Bis vor einem Jahr funktionierte Ether noch wie Bitcoin. In der Kryptowelt zählt nur die Crowd, also die Dezentralität. Es gibt keine übergeordnete Instanz wie etwa eine Bank, deshalb werden Transaktionen in der Blockchain notiert. Überprüft werden die Überweisungen von den Nutzern selbst. Das ist ein äußerst begehrter Job – denn dabei entstehen neue Münzen, und der sogenannte Schürfer bekommt für jede Überprüfung etwas von der Währung ab. Das Problem ist das Auswahlverfahren: Schürfen (oder überprüfen) darf, wer ein mathematisches Rätsel am schnellsten löst. Das heißt, Zehntausende Rechner weltweit stellen energieintensive und letztlich sinnlose Kalkulationen an. Je potenter die Rechner, desto höher die Gewinnchancen – und desto höher auch der Stromverbrauch. Proof-of-Work nennen die Experten den Mechanismus. Und weil der Mining-Aufwand im Lauf der Zeit immer weiter zugenommen hat, stieg auch der CO2-Ausstoß immer weiter an.

Auch der Kurs der Kryptowährung spielt dabei eine Rolle: Liegt er hoch, steigt der Anreiz, sich am Schürfen zu beteiligen, und der Stromverbrauch legt zu. Verliert der Bitcoin an Wert, ist das Schürfen weniger attraktiv – der Energieverbrauch sinkt.

Ethereum funktioniert nun anders. Hier werden die Aufträge per Zufallsprinzip an einzelne Nutzerinnen vergeben. Damit fallen die eigentlich überflüssigen Rechenleistungen aller anderen Miner weg. Teilnehmen an dieser Lotterie kann jeder, der Ether besitzt. Dieser Proof-of-Stake genannte Mechanismus verringert den CO2-Ausstoß auf einen Schlag um mehr als 99,9 Prozent. Und man benötigt dafür auch keine Lagerhallen voller Hochleistungsrechner mehr, sondern es reicht ein einfacher Computer. Laut Alex de Vries von der Vrije Universiteit Amsterdam liegt der Stromverbrauch der nach Marktkapitalisierung zweitgrößten Kryptowährung der Welt aktuell nur mehr bei 0,01 Terawattstunden jährlich.

Bitcoin unter Druck?

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Für rund 1500 Euro wurde Ether zuletzt gehandelt – immerhin ein Anstieg von über zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. Doch der von vielen erwartete Boom aufgrund des neuen Systems blieb aus. Zum Vergleich: Ein Bitcoin kostet aktuell rund 25.000 Euro – was einem Anstieg von über 30 Prozent entspricht. Eine Entwicklung, die auch Experten wie Wattenhofer so nicht vorhergesehen haben: „Ich dachte, dass es gesellschaftlich nicht mehr so akzeptiert sein würde, mit Bitcoin zu arbeiten. Weil es hinsichtlich Energieeffizienz viel bessere Kryptowährungen gibt“, so der Schweizer Professor. Bis auf Bitcoin sind mittlerweile fast alle relevanten Blockchains auf die stromsparende Variante umgestiegen. Insgesamt werden für die Erzeugung von Bitcoins über 70 Megatonnen CO2 ausgestoßen, schreibt de Vries in seinem Blog Digiconomist.

Für eingefleischte Bitcoin-Fans ist dies offenbar kein überzeugendes Argument. Sie führen ins Treffen, dass beim Schürfen ohnehin sehr viel erneuerbare oder überschüssige Energie verwendet werde – oder sie stellen die Klimaschädlichkeit gleich ganz in Abrede.

So hatte etwa beispielsweise das Bitcoin Mining Council, eine Art Interessenvertretung von über 100 Bitcoin-Unternehmen weltweit, erklärt, dass etwa 60 Prozent des verwendeten Stroms aus erneuerbaren Quellen stammen. Das stimmt freilich nicht: Alex de Vries konnte gemeinsam mit Kollegen von der Technischen Hochschule München in einer Studie zeigen, dass der Anteil der Erneuerbaren am Bitcoin-Energiemix sogar gesunken ist und sich aktuell bei circa 25 Prozent bewegt.

Doch Kryptowährungen sind nicht nur hinsichtlich ihres CO2-Ausstoßes problematisch. Sie führen auch zu erheblichen Mengen Elektroschrott, weil im Wettrüsten um eine immer schnellere Technologie die ältere Ausrüstung obsolet wird. Aktuell fallen allein durch Bitcoin rund 65.000 Tonnen Elektroschrott pro Jahr an, wie de Vries errechnet hat. Wird dieser nicht sachgemäß entsorgt, können Schwermetalle und Chemikalien Umwelt und Grundwasser verschmutzen.

Dass sich die Bitcoin-Welt aus eigenem Antrieb von ihrem Stromfressersystem befreien wird, ist höchst unwahrscheinlich. Doch möglicherweise wird sie mit entsprechenden Vorschriften dazu gebracht. Bereits Anfang 2022 wollte das Europäische Parlament den Proof-of-Work-Mechanismus untersagen. In die nächstes Jahr in Kraft tretende neue MiCA-Regulierung (Markets in Crypto Assets) floss das Verbot dann aber doch nicht ein.

Aktuell ist die Branche einmal mehr in heller Aufregung: Denn die EU hat Ende September eine Studie ausgeschrieben, die mit einem Budget von 800.000 Euro erheben soll, wie und ob Krypto-Mining die Nachhaltigkeitsziele der EU untergräbt. Aus den Ergebnissen sollen später auch Gesetze abgeleitet werden.

Franziska   Dzugan

schreibt für das Wissenschaftsressort und ist Moderatorin von tauwetter, dem profil-Podcast zur Klimakrise.

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

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Furkan | CoinCheck TV

ist Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von tauwetter, dem profil-Podcast zur Klimakrise.

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