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Im Nationalsozialismus waren Albert Einstein und Max Planck wichtige Wissenschaftler


Zwei Forschende von Weltrang und wie sie mit der Machtergreifung umgingen; mit einem Originalbrief Einsteins im Wortlaut

Wie wäre die Wissenschaftsgeschichte wohl verlaufen, wenn Max Planck (1858-1947) Altphilologie oder Musik statt Physik studiert hätte? Lust und Talent hätte er allemal für diese Gebiete gehabt. Später würde er seinen Sohn Erwin (Cello) und seinen Freund Albert Einstein (1879-1955; Geige) auf dem Klavier begleiten.

Doch so weit sind wir noch nicht. Einstein war nämlich in der Schweiz und musste erst nach Deutschland beziehungsweise Berlin geholt werden. Hierfür war Planck von besonderer Bedeutung. Ein Loyalitätskonflikt gegenüber dem deutschen Staat wird schließlich aber einen Keil zwischen die beiden Physiker treiben.

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Plancks Karriere

VIDEO: The friendship between Max Planck and Albert Einstein
Oxford Academic (Oxford University Press)

Max Planck hatte in beruflicher Hinsicht eine steile Karriere – um in diesem Zusammenhang nicht mit dem Wort “Blitzkarriere” falsche Assoziationen zu wecken. Schon 1885, kurz nach seinem 27. Geburtstag, ernannte ihn die Universität Kiel zum außerordentlichen Professor für theoretische Physik. Nur vier Jahre später wechselte er an die Universität Berlin, die ihn schließlich 1892 zum ordentlichen Professor berief.

Dieser Lehrstuhl war ursprünglich an der Philosophischen Fakultät angesiedelt. Das trug sicher nicht dazu bei, dass Plancks Fach von den etablierten Physikern ernst genommen wurde. Umgekehrt kam zum ausklingenden 19. Jahrhundert der Gedanke auf, dass die Physiker nun die Aufgaben der Philosophen übernehmen würden. Nun, das Lied vom “Tod der Philosophie” hört man immer wieder. Bis auf Weiteres ist sie quicklebendig.

Planck selbst dürfte sich darüber nicht den Kopf zerbrochen haben. Er war ohnehin interdisziplinär interessiert und beschäftigte sich auch mit Wissenschaftstheorie, Ethik und Religion. Wahrscheinlich haben ihm Letztere bei der Bewältigung schwerer Schicksalsschläge in seinem Privatleben, auf die ich hier nicht weiter eingehe, geholfen. Nähere Details finden sich in meinem neuen Buch.

1912, also noch im Deutschen Kaiserreich, wurde Max Planck zum “Beständigen Sekretär” der Preußischen (heute: Berlin-Brandenburgischen) Akademie der Wissenschaften ernannt. Damit bekleidete er ein angesehenes öffentliches Amt, wenn nicht gar das angesehenste in der damaligen Wissenschaft.

Nur zwei Jahre später gelang es ihm dann, Einstein an die Akademie in Berlin zu holen. Dafür wurde ihm ein attraktiver Posten ohne Lehrverpflichtung angeboten. (Übrigens gilt das noch heute für viele Wissenschaftler, dass sie nicht so gerne unterrichten. Der Autor dieser Zeilen ist in dieser Hinsicht eine Ausnahme.)

Kriege

VIDEO: Prof. Dr. Dieter Hoffmann: Max Planck und Albert Einstein - Zwei Revolutionäre der Physik
Katholische Akademie in Bayern AUDIO-Kanal

Doch 1914 zogen viele Deutsche erst einmal in den Krieg – für Kaiser, Vaterland und einen “Platz an der Sonne”. Man fühlte sich gegenüber den Kolonialmächten benachteiligt. Auch viele Intellektuelle waren euphorisch. Diese deutsche Kriegsbegeisterung ging als “Augusterlebnis” in die Geschichte ein.

Der Krieg sollte eine Katastrophe werden, die viele Menschen das Leben kostet; gerade erst wurde die neue Verfilmung von Im Westen nichts Neues mit Oscars ausgezeichnet. Doch gelernt hatte die deutsche Öffentlichkeit aus diesem Fehler kaum: Mit dem Erstarken der Nationalsozialisten nahm auch die Kriegseuphorie schon wieder zu. Und das würde schließlich den Knackpunkt in der Freundschaft Plancks und Einsteins bedeuten.

Zwar versuchte auch Planck Zeichen für den Frieden zu setzen, indem er beispielsweise auf die Verleihung eines Ehrenpreises der Deutschen Physikalischen Gesellschaft für den französischen Physiker Louis de Broglie (1892-1987) hinwirkte – noch kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Auch soll Planck es gewagt haben, im Mai 1933, also kurz nach der Machtergreifung, Hitler bei seinem Antrittsbesuch auf die negativen Folgen der Vertreibung jüdischer Gelehrter hingewiesen zu haben.

Im Zweifel galt Plancks Loyalität als Staatsbeamter aber: dem deutschen Staate. Jedenfalls ziemte es sich seiner Meinung nach nicht für die Mitglieder der Akademie, die deutsche Politik öffentlich zu kritisieren. Und darum nahm er Einstein dessen konsequenten Einsatz für Kriegsdienstverweigerung und Pazifismus übel.

Einstein sollte recht behalten

VIDEO: Einstein the Mad Scientist | Genius
National Geographic

Albert Einstein musste in Deutschland leider wegen seiner jüdischen Herkunft Diffamierungen über sich ergehen lassen. Sein Bekenntnis zum Frieden machte ihn in der Öffentlichkeit sogar doppelt zur Zielscheibe.

Doch aus heutiger Sicht muss man feststellen, dass er die Zeichen der Zeit richtig gedeutet hat: Er entschied sich 1933, nach fast 20 Jahren in Deutschland, nicht mehr dorthin zurückzukehren. Am 28. März legte er sein Amt bei der Preußischen Akademie nieder. Außerdem gab er einen Verdienstorden zurück – der auch unter der Verwaltung Max Plancks stand.

Mit seinem Austritt kam er dem Ausschluss seitens der Akademie zuvor. Die altehrwürdige und heute noch bestehende Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina strich Einstein – zusammen mit vielen anderen jüdischen Wissenschaftlern – schlicht aus dem Mitgliederregister.

Mit der Akademie – und damit auch Planck – ging er im April 1933 hart ins Gericht: Die früheren Berliner Kollegen hatten Einstein den Vorwurf gemacht, mit seiner Kritik an der deutschen Politik dem öffentlichen Ansehen des Landes geschadet zu haben. Gar “Greuelhetze gegen das deutsche Volk” hatte man ihm vorgeworfen.

In seiner Antwort – in Belgien verfasst – drehte Einstein den Spieß einfach um: Wenn er sich öffentlich für die deutsche Politik aussprechen würde, würde er gerade zur Verrohung deutscher Kulturwerte beitragen. Mit dieser Einschätzung würde er leider recht behalten, wie die zwölf folgenden, harten Jahre unter der NS-Diktatur verdeutlichen würden. Wer betrieb hier also “Greuelhetze”?

Einsteins Brief im Wortlaut:

Coq-sur-Mer (Belgien), 12.4.33

An die

Preussische Akademie der Wissenschaften

Berlin

Ich erhalte Ihr Schreiben vom 7.4. dieses Jahres und bedaure ausserordentlich die Gesinnung, die sich darin kundgibt.

Sachlich habe ich nur folgendes zu erwidern:

Ihre Behauptung über meine Haltung ist im Grund nur eine andere Form Ihrer bereits Veröffentlichten Erklärung, in der Sie mich beschuldigten, mich an einer Greuelhetze gegen das deutsche Volk beteiligt zu haben. Diese Behauptung habe ich bereits in meinem letzten Schreiben als eine Verleumdung bezeichnet.

Sie haben ferner bemerkt, dass ein “Zeugnis” meinerseits “für das deutsche Volk” sehr machtvoll im Ausland gewirkt haben würde.

Hierauf muss ich erwidern, dass ein solches Zeugnis, wie Sie es mir zumuten, einer Verneinung aller der Anschauungen von Gerechtigkeit und Freiheit gleichgekommen wäre, für die ich mein Leben lang eingetreten bin. Ein solches Zeugnis wäre nämlich nicht, wie Sie sagen, ein Zeugnis für das deutsche Volk gewesen; es hätte sich vielmehr nur zugunsten derer auswirken können, die jene Ideen und Prinzipien zu beseitigen suchen, die dem deutschen Volk einen Ehrenplatz in der Welt-Zivilisation verschafft haben. Durch ein solches Zeugnis unter den gegenwärtigen Umständen hätte ich – wenn auch nur indirekt – zur Sittenverrohung und Vernichtung aller heutigen Kulturwerte beigetragen.

Eben aus diesem Grund habe ich mich gedrängt gefühlt, aus der Akademie auszutreten, und Ihr Schreiben beweist mir nur, wie richtig ich damit gehandelt habe.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Albert Einstein

Brief Albert Einsteins vom 12. April 1933 an die Preußische Akademie der Wissenschaften, dort eingegangen am 18. April 1933. Wie “vorzüglich” da die Hochachtung wirklich gewesen sein kann?

Ambivalent

VIDEO: Max Planck vs the Nazis
Kathy Loves Physics & History

Max Planck war kein bekennender Nationalsozialist. Im Gegenteil hinterließ die Diktatur auch in seinem Privatleben tiefe Einschnitte: Sein Sohn Erwin, vorübergehend selbst ein Ministerialbeamter, würde am 23. Januar 1945, also kurz vor Kriegsende, wegen der Beteiligung am Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 hingerichtet werden. Selbst der Einfluss seines bekannten Vaters konnte das nicht verhindern.

Doch ganz unbeteiligt blieb Planck in seiner öffentlichen Funktion nicht am Unrecht der Nationalsozialisten. Beispielsweise leitete er 1938 Fragebögen zur “ethnischen Säuberung” an die Mitglieder der Akademie weiter – die dann wegen ihrer jüdischen Abstammung oder “Versippung” (gemeint ist z.B. die Heirat eines jüdischen Partners) zum Austritt gedrängt wurden. Was das konkret bedeutete, erkläre ich im Buch.

Planck, dem die Ethik immer so viel bedeutete, war da schon hochbetagt, stolze 80 Jahre alt. Warum legte er sein Amt nicht einfach nieder? Um nicht zum Handlanger der Nazis zu werden und eine Konfrontation zu vermeiden, hätte er doch sein hohes Alter vorschützen können.

Nach dem Krieg

VIDEO: Harald Lesch: E=h·f (Planck) und E=m·c² (Einstein) verändern die Welt | Mensch & Klimawandel (21)
Urknall, Weltall und das Leben

Nach dem Krieg bemühte man sich bekanntlich um Schadensbegrenzung. Max Planck wurde – bis zu seinem baldigen Tod – für den Wiederaufbau der Wissenschaft eingesetzt. Die hochangesehen Max-Planck-Institute zeugen davon noch heute. Übrigens hatte Planck in seinem Leben drei Systemwechsel in Deutschland miterlebt: Vom Kaiserreich in die Weimarer Republik, dann in den NS-Staat und schließlich die Übergangszeit zur Bundesrepublik.

Den Akademien war der Rausschmiss führender Wissenschaftler nun sehr peinlich. Praktisch war, dass man nicht allen (ehemaligen) Mitgliedern die Streichung mitgeteilt hatte. Da konnte man so tun, als wäre nichts geschehen. Doch Einstein hatte davon genug: Per Telegramm aus Princeton teilte er kurz und knapp mit, an einer weiteren Zusammenarbeit nicht mehr interessiert zu sein.

Aus dem Inhalt:

  • Vorwort: Warum das Problem wichtig ist
  • Teil I: Freiheit als Forschungsgegenstand
  • 1. Einleitung: Der Mensch als Natur- oder Kulturwesen
  • 2. Philosophische Vorbemerkungen zur Willensfreiheit
  • 3. Max Plancks Argument
  • 4. Determinismus und Kausalität
  • 5. Heutige Physiker*innen zur Willensfreiheit
  • 6. Willensfreiheit in Biologie und Neurowissenschaften
  • 7. Eine Zwischenbilanz
  • Teil II: Praktische Freiheit
  • 8. Freiheit und Verantwortung in Recht und Moral
  • 9. Wissenschaftler sind auch nur Menschen
  • 10. Allzumenschliche Neurofehlschlüsse
  • 11. Psychologie: Was wir positiv über Freiheit aussagen können
  • Epilog und Dank
  • Anhang A: Max Plancks Originalaufsatz aus dem Jahr 1939: Vom Wesen der Willensfreiheit
  • Anhang B: Anregungen zum Weiterdenken und für den Unterricht

Das Buch ist gerade erschienen und wohl noch nicht im normalen Buchhandel erhältlich. Auf der Seite des Verlags lässt es sich aber bereits als eBook oder Taschenbuch bestellen.

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Author: John Richard

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